
Gerne sagte ich früher, Mamasein selbst ist schon ein Job für sich (zusätzlich zum Job) - aber dann kam die Krankheit und plötzlich war das alte Leben vorbei. Aber was nicht einfach so vorbei geht, sind die Erwartungen an sich selbst als Mama. Und die Schuldgefühle, wenn man diesen nicht gerecht wird.
wenn Mama nicht mehr kann und nur im Bett liegt, fühlt sich Mama schuldig
Wer krank ist, lässt sich krankschreiben. Damit kann man sich selbst Zeit und Ruhe für ihr Gesundwerden gönnen. Aber für Mamas ist der Job noch nie zu Ende gewesen mit Beginn des Feierabends oder auch während einer Krankheit.
Ja, die Familie springt ein, wenn Mama gar nicht mehr kann. Ja dann kommt die Oma und übernimmt. Aber das geht so Tage, vielleicht Wochen.. Nur Long Covid ist lang. Sehr lang! Und das schlechte Gewissen, der Familie eine Last zu sein, statt sonst eine Stütze, wurde größer.
Spätestens, wenn man als Mama realisiert, dass man dauerhaft nicht mehr so kann wie einst, stellt sich auch die Frage ein: "Wie soll ich meinem Kind so gerecht werden können? Was für eine Mama kann ich noch sein?"
Solange du dein Bestes gibst, bist du eine gute Mama
Das klingt vielleicht merkwürdig, aber: Es nützt deinem Kind nichts, wenn du Schuld oder sogar Scham empfindest. Ganz im Gegenteil: Dein Kind spürt, dass etwas nicht stimmt, aber kann es schon verstehen, dass du deine Vorwürfe gegen dich selbst richtest? Oder wird es die falschen Schlüsse ziehen und denken: ich bin Mama eine Last?
Wie oft musste meine Maus zurückstecken, aber hat sie es auch so empfunden?
Ich habe besonders dann versucht, jeden Moment mit ihr zu genießen, wenn mein Gemüt schwer war. Wenn ich mein altes Leben vermisst habe, im Bett lag und nicht viel machen konnte.
Ohne SChuld sagen: "Ich brauche Hilfe - für lange zeit"
Diese Worte tun innerlich weh, denn sie schütten ganz unterschiedliche Emotionen aus: Wut, Hilflosigkeit, Trauer, Verzweiflung oder auch nüchterne Akzeptanz.
Ich kenne viele Mamas, die immer alles allein wuppen, weil sie es einfach wuppen. Sie bitten nicht um Hilfe, nach außen haben sie alles so wunderbar im Griff.
Aber hatten wir uns als Mamas nicht immer schon super viel auf die Schulter geladen?
Und da ist nun die Krankheit und ich - für mich - hab erkannt: Es war schon vor Corona viel, und eigentlich war es schon da zu viel.
Schon zuvor bin ich zu weit an meine Grenzen gegangen, schon zu vor hab ich zu viel geschultert. Und damit auch Raubbau an meinem Körper getrieben.
Aber mit Long Covid muss die Erkenntnis dauerhaft sein und statt schlechtem Gewissen, kann nüchterne Klarheit folgen: Was habe ich noch für Energie? Was braucht mein Kind? Wie kann ich es ermöglichen, ohne dass ich alles selbst schultere.
Meine Learnings:
💥Kenne deine Grenzen als Mama - führe Symptomtagebuch um heraus zu finden welche Tage besonders anstrengend waren (weil am Folgetag #fatigue besonders schlimm war)
💥
Kommuniziere sie deiner Familie! Reiss Dich nicht zusammen, in der Hoffnung das geht schon irgendwie
💥Plane
wenn du Energie hast für die Folgetage: was gibt es für Aufgaben für die Woche - nimm dir immer nur das nötigste am Tag vor - bei guten Tagen es nicht übertreiben und bei schlechten
Tagen:
💥 Hab einen Fatigue "Notfallplan": Essen, das du schnell deinem Kind geben kannst ohne kochen zu müssen, Schlafsachen fertig parat haben und ein Hörspiel bereit haben, - das alternative Fatigue zu Bett Geh Ritual (vs dem gemeinsam Lesen bei guten Tagen), und wenn gar nichts geht: den Partner/die Oma/Opa/die Nachbarin der/die schnell einspringen kann, wenn du merkst dass du an deine Grenze kommst .
2021: Dinge, die ich dennoch mit meiner Tochter "Unternehmen" konnte
Vom Bett aus: während der Infektion
Anfangs dachte ich noch, dass ich einfach nur müde und schwach durch die Infektion bin ( Hierzu mein Blogartikel zu Dinge, die ich gern vorher gewusst hätte)
- Kuscheln: Vom Bett aus ging oft nur kuscheln, denn zu mehr war ich oft nicht fähig. Ich hatte noch frisch Corona und starke Schmerzen. Oft lag ich einfach nur im abgedunkelten Zimmer und schlief- ging ins Bad - schlief - aß etwas.
- Dann habe ich meine Vorwürfe mir selbst gegenüber (und meine Vorsätze) über Board geworfen und tatsächlich ein altes PC-Spiel hervorgekramt: die Sims. Ich hab es auf meinem Laptop installiert und mit der Maus das Spiel gespielt. Sie selbst lag in meinen Armen und wir haben unsere Familie erstellt und unsere Freunde. Dann machten wir im Spiel Ausflüge und ich ging im Spiel mit ihr auf den Spielplatz, ins Schwimmbad, wir zogen in ein schönes Haus ein und pflanzten einen Apfelbaum. Wir backten Kuchen und dann luden wir ihre Freunde ein und sahen zu, wie die Kinder spielten. Da auch Mausi in Quarantäne war, war das eine große Ausnahme. (Das Spiel wurde nach ihrer Quarantäne wieder deinstalliert ;-)
Oft vom Bett aus - nach der Infektion in der Long-Covid-Zeit:
- Hörbücher/Eigene Geschichten gemeinsam ausdenken: Leider fingen nach meinem gescheiterten Wiedereingliederungsversuch im Mai meine Lese-Probleme erst so richtig an, ich hatte kognitiv eine ziemliche Verschlechterung. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, um ihre Geschichtenbücher vorzulesen. Schon eine Seite war oft zu viel. Deshalb begannen wir, unsere eigene Hörspiel-Geschichte ("Anton & Rosalie") weiter zu kreieren. Vor Corona habe ich ihr oft frei erfundene Geschichten erzählt, wenn ich sie zu Bett brachte. Das war ihre Liebste, als sie kleiner war: eine Rosenfee, die im Garten eines Junges lebte und mit ihm Abenteuer erlebte. Nun lebte diese Geschichte neu auf und ich erzählte sie ihr, sie brachte Einfälle, wie die Geschichte weiter gehen konnte und ich webte diese ein.
Die ersten gemeinsamen Aktivitäten auf schwachen Beinen:
- Gemeinsamer Spaziergang: Nach und nach kam etwas Energie zurück und ich konnte mit Mausi in guten Tagen nach draußen, zuerst zum Spielplatz ums Eck. Das reichte auch oft. Und die Bank war mein liebster Freund.
- Sommer 2021: Gemeinsame Wege: Es tat gut, mit etwas mehr Energie auch wieder Teil ihrer Welt zu werden. So zum Beispiel sie mal zur Kita bringen oder abholen.
Herbst 2021: Reha
Im Herbst startete dann meine 3-Wöchige Reha und das war schlimm - für mich, denn es war ohne die Maus. Und es war gut: denn all meine Energie ging nun in ein "Fitness"-Programm. Siehe meinen Blogartikel Reha.
In diesen drei Wochen war sie nicht bei mir, aber ich schickte ihr immer wieder unsere Anton und Rosalie Geschichten, die wir in Guten-Nacht-Telefonaten weiter erzählten.
Das Jahr ging zu Ende mit einer besseren körperlichen Fitness und ersten Erfolgen in der Konzentration (das war für mich: sich 30 Minuten am Stück konzentrieren können - bis zu einer Stunde).
Im Herbst/Winter 2021 machten wir gerne
- kleine Mini-Bastelsachen, die nicht zu schwer waren (weder für die 5-Jährige noch für mich)
- Memory-Spiele, bei denen ich natürlich absolut verlor, aber sie sich freute, zu gewinnen. Es war unglaublich anstrengend für mich und oft deckte ich einfach nur irgendeine Karte auf, weil ich einfach kein Paar mir merken konnte.
- weitere Spiele, z.T. angelehnt aus meiner Ergotherapie (ggf. eigener Blogartikel wert ;-)
Und so verging das 2021 Corona Jahr als Mama.
Die Schuldgefühle begleiteten mich Schritt für Schritt und noch heute kämpfe ich damit an schlechten Tagen. Aber dann versuche ich mich stets daran zu erinnern:

2022: ein neues Familienleben
Januar 2022 ging es dann mit der Wiedereingliederung (Versuch 2) los. Ebenfalls ein eigener Blogartikel wert ;-) Ende Juli gab ich vorerst den Versuch auf, mein ursprüngliches Arbeitspensum (7h pro Tag minimum) zu schaffen und ging in Teilzeit. Es war einfach nicht möglich, die Konzentration aufzubringen. Und noch ein Punkt fiel schwer ins Gewicht: Oft lag ich nach dem Arbeitsversuch energielos im Bett und hatte mit Crashs zu kämpfen.
November 2022: mein aktueller Stand

Dann kam die Einschulung im August und alles geriet erneut ins Wanken.
Der Alltag, den ich mir über ein halbes Jahr schwer erarbeitet habe (arbeiten gehen und Kind abholen und betreuen, was für mich alles absolute Erfolge waren zu 2021), wurde komplett auf den Kopf gestellt. Seit August haben wir nun einen neuen Rhythmus und so seit Oktober ist es wirklich eingespielt (die ersten Ferien waren ein Segen, etwas Energie sammeln).
Ich habe unglaublich schwer zu kämpfen mit dem frühen Aufstehen und dem "Stress" genau pünktlich die Kleine für die Schule fertig zu machen. Auch das punktgenaue Abholen fällt mir schwer. Aber das Gefühl, dass es mich stresst, wird weniger, da Routinen immer mehr eingespielt sind.
Es gab viele Meilensteine, die ich als Mama feiern konnte: Arbeiten gehen (4-5h pro Tag) und Mausi von der Schule abholen können. Sie nachmittags betreuen können und keinen Crash davon tragen. Ich bin so froh.
Dennoch gibt es die schlechten Tage, in denen ich mehr vom Bett aus agiere als alles andere. Es gibt immer noch sehr viele Einschränkungen - so kann nicht bei vielen Familienausflügen nicht dabei sein - oder nur teilweise und viele Kinder in einem Raum strengen mich unglaublich an.
Mausi ist noch heute oft "überrascht", wenn ich mal wieder einen schlechten Tag habe "Mama hat immer noch Corona?!". Doch mit den Monaten werden meine Crashs und schlechten Tage weniger. Manchmal rückt es schon in das Vergessen, dass meine Belastung limitiert ist. Auch sportlich bin ich nicht die Mama, die mit ihr jetzt fangen spielen kann oder lange Fahrradausflüge schaffe. Aber unser Alltag ist so gestaltet, dass es wenig auffällt und sie ihre Mama hat und schöne Momente.
Aber ich sehe: es ging voran - von Quartal zu Quartal und ich bin unglaublich dankbar dafür.
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Liakaiy (Sonntag, 13 November 2022 18:23)
Hi hey.
Ich habe diesen Text wirklich gern gelesen ich selber bin auch Mama mit LongCovid und habe mich an vielen Stellen wiedergefunden. Mein Sohn hat mich schon oft getröstet, wenn ich geweint habe, weil ich nicht mit ihm spielen konnte.
Der Schulstart hat bei uns auch einiges durcheinander geworfen, da ich selber ja auch zur Schule gehe (schulische Ausbildung). Wir kämpfen oft und beißen uns durch, manchmal noch mit Schuldgefühlen, meist jedoch schon ohne. ✨
Liebe Grüße,
Liakaiy