
Es war im Sommer letztens Jahres, als ich mir einen Termin bei der Deutschen Rentenversicherung holte. Mit vielen Unterlagen und großer Überforderung bin ich damals in das Wartezimmer des
Rentenberaters rein.. und mit Tränen wieder raus.
Heute muss ich tatsächlich schmunzeln an den Gedanken wie unwohl sich der Berater wohl hatte fühlen müssen und sich mehrmals entschuldigte, dass er "mich zum Weinen gebracht hatte". Ich war
jedoch einfach nah am Wasser gebaut.
Ok, wollen wir starten? Heute mal das Thema EU-Rente und Long Covid! PS: Ich bin keine Expertin, um einen allgemeinen Weg zu erklären, wollte aber meinen mit euch teilen.
Was ist die Erwerbsminderungsrente?
Seht es mir bitte nach, dass ich für solche allgemeinen Beschreibungen eine Text AI (chatgbt) nutze, die ich gebeten hab, kurz die Erwerbsubfähigkeitsrente zu erklären:
"Die Erwerbsminderungsrente ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Sozialversicherungssystems und dient dazu, Menschen finanziell abzusichern, die aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage sind, voll oder teilweise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Diese Form der Rente wird in Deutschland von der Deutschen Rentenversicherung gewährt.
Die Erwerbsminderungsrente wird in zwei Kategorien eingeteilt: volle Erwerbsminderungsrente und geminderte Erwerbsminderungsrente.
- Die volle Erwerbsminderungsrente wird gezahlt, wenn die erwerbsfähige Person aus gesundheitlichen Gründen weniger als drei Stunden am Tag erwerbstätig sein kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie noch in der Lage ist, eine andere Tätigkeit auszuüben oder eine Umschulung durchzuführen.
- Die Teil-Erwerbsminderungsrente wird hingegen gewährt, wenn die erwerbsfähige Person zwischen drei und unter sechs Stunden am Tag erwerbstätig sein kann. In diesem Fall besteht noch eine gewisse Restarbeitsfähigkeit, auch wenn sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr voll einsetzbar ist.
Die genaue Höhe der Erwerbsminderungsrente richtet sich nach den individuellen Voraussetzungen und dem bisherigen Verdienst der betroffenen Person. Dabei werden die Beitragszahlungen berücksichtigt, die während der Erwerbstätigkeit geleistet wurden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Erwerbsminderungsrente in der Regel niedriger ausfällt als die reguläre Altersrente." das wars vom Chat-Robot ;-) Dazu möchte ich noch ergänzen: nicht jeder hat Anspruch, ob individuell die Erwerbsminderungsrente in Betracht kommt, kann man online bei der Deutschen Rentenversicherung recherchieren oder sich beraten lassen.
Wie unterscheidet sich die Erwerbsminderungsrente vom Krankengeld? Und wie war das bei mir?
Die Erwerbsminderungsrente wird von der Deutschen Rentenversicherung gezahlt, während das Krankengeld von der Krankenkasse gezahlt wird.
Nachdem das Krankengeld ausläuft, kommt zwangsläufig die Frage: Und was nun? Es gibt hier unterschiedliche Wege und mein Weg ist wahrscheinlich nicht der meist gegangene, da ich meinen Job dank Stundenreduzierung behalten konnte und noch während des Krankengeldes die Erwerbsminderungsrente beantragt habe. Soweit ich es richtig verstanden habe, würde nach dem Krankengeld für viele (nur in meinem Fall jetzt nicht durch die Lösung mit dem Arbeitgeber) die "Aussteuerung" folgen und dann würde erst einmal der ggf. erarbeitete Anspruch auf Arbeitslosengeld folgen und dann erst die Erwerbsminderungsrente. Hier könnt ihr beispielsweise den Podcast Tidal Faces über YouTube hören, in dem es um die Erwerbsminderungsrente geht und wann der Antrag gestellt werden sollte und wie der Weg für viele ist - dazu gibt es ein ganz wunderbares Handout mit den wichtigsten Infos.
Bei mir war es jedoch so: Ich bekam zuerst Krankengeld und ging noch im selben Jahr meiner Corona-Erkrankung (und Herzbeuteleintzündung) in eine Reha (es heißt immer "Reha vor Rente", was mir später zugute kam), die abgeschlossen wurde mit der Einschätzung, dass nach der Reha eine Wiedereingliederung bei mir versucht werden soll in einem viertel Jahr. Während der Monate der dann folgendenden Wiedereingliederung (in der Krankengeld gezahlt wird von der Krankenkasse) ergab sich schnell, dass ich nicht innerhalb von Wochen auf mein altes Arbeitsmaß kam und wir haben Monate "rumprobiert" mit wie vielen Stunden ich täglich klar kam, ohne einen Crash zu haben. Es waren holprige Zeiten und nach einem halben Jahr von z.T. Steigerungen um 0,5h pro Woche lediglich und Rückfälle, gab mir die Krankenkasse zu verstehen, dass sie diese nicht über eine Frist hinaus gewähren wird. Ich schaffte es einfach nicht in der Wiedereingliederung meine Leistung so zu steigern, dass ich auf das Maß von Vor-Corona kam. Im Endeffekt war sie dadurch gescheitert.
Ich bekam Angst um meinen Job, denn ich merkte ja durch die Wiedereingliederungszeit, dass ich einfach nicht auf meine volle Arbeitszeit kam. Und was dann? Ich wählte das Gespräch mit meinem Arbeitgeber. Und wir reduzierten meine Stunden.
Warum hatte ich die Erwerbsminderungsrente beantragt?
Schon während der Wiedereingliederung, die sich so lange zog, habe ich mir Sorgen gemacht, dass mein Krankengeld auslaufen wird, bevor ich wieder fit bin und eben, ob ich je wieder richtig fit sein werden. Was sollte also nach dem Krankengeld kommen? Ich nahm die Beratung des sozialen Dienstes in dem Krankenhaus in Anspruch nahm, bei dem meine Long Covid Ambulanz ist und informierte mich: über das Krankengeld, die Aussteuerung, Arbeitslosengeld, Erwerbsminderungsrente. Erst danach ging ich Step für Step den Weg, den ich dann als den richtigen für mich ansah.
Es war auch leider wie ein Gefühl des Versagens, dass man nicht mehr "die Alte" ist und es nicht mehr schafft, sich trotz Motivation und Streben an die alte Leistung heranzuarbeiten. Das war ein derber Schlag in die Magengrube, aber nach der Trauer, kam die Akzeptanz und das Wissen: ich muss nun schauen, wie ich mich finanziell absichere.
Wie bin ich vorgegangen?
Erst einmal hab ich mich gründlich über meine Möglichkeiten belesen und geschaut: Wann endet nun meine Wiedereingliederung (weil die Krankenkasse hier einen Riegel vorschiebt), bis wann läuft mein Krankengeldanspruch, was ist, wenn ich ausgesteuert werde und habe ich die Möglichkeit, auf Arbeit meine Stunden und meinen Leistungsumfang anzupassen, um wieder arbeiten zu können?
Es ist definitiv nicht immer sinnvoll gleich EU Rente zu beantragen, denn es gibt ja diese verschiedenen Steps und Stufen eine individuelle Beratung des sozialen Dienstes anzunehmen, ist wirklich ein guter Schritt! Was ich damals noch nicht wusste: Ich hätte auch da schon dem VdK Sozialverbandes beitreten können und mich hier beraten und unterstützen lassen können. Aber damals hab ich es allein gemacht.
Tatsächlich hat sich für mich die Erwerbsminderungsrente in Kombination mit einem Gespräch meines Arbeitgebers als mein Weg herausgestellt: Mein Arbeitgeber konnte sehen, dass ich stundenweise Leistung abrufen konnte und wir haben meine Arbeitszeit um diese Stundenzahl minimiert (durch meine Wiedereingliederung bekam ich ein Gefühl, wie viele Stunden pro Tag ich leisten konnte) und ich habe die Erwerbsminderungsrente beantragt, denn ich kam nicht auf mein volles Leistungsvermögen, aber konnte arbeiten. Durch die Wiedereingliederung wussten wir auch, welche Stundenzahl sinnvoll ist und welcher Rahmen (ich habe leider nicht den vollen Umfang an Verantwortung tragen können wie vor Corona).
Also hier die Steps:
- Mich erstmal generell belesen im Netz, hier ist zum Beispiel ein guter Podcast, der ins Thema einführt und eine eigene Episode dazu hat: Tidal Faces
- Beratung des sozialen Dienstes in Anspruch genommen (bei mir im Krankenhaus bei der Long Covid Ambulanz, aber diese Möglichkeiten gibt es beispielsweise auch auf Reha oder als Mitglied beim VdK)
- einen Beratungstermin bei der deutschen Rentenversicherung beantragt, er führt einen sogar durch den Antrag - und der Termin der Beratung gilt bereits als Beantragungs-Termin, auch wenn man danach noch braucht, um alles auszufüllen.
- All die verschiedenen Formulare ausgefüllt und meine eigenen Rentenzeiten kontrolliert (in dem Rahmen) und hierbei darauf geachtet, genau darzustellen und zu belegen, dass meine Arbeitszeit nicht mehr erreicht wird. Hier habe ich auch einen eigenen Brief selbst verfasst und meine Lage nochmal chronologisch erklärt. Und natürlich für die Gutachten gesorgt:
- Meine aktuellen Ärzte besucht, so dass sie meinen aktuellen Zustand in ihren Akten haben und gebeten, alte Gutachten zu aktualisieren und mir auszuhändigen für meine Unterlagen. Sie werden soweit ich mich richtig erinnere, separat von der Kasse angefragt- ich war aber einfach proaktiv bei den relevanten Ärzten, die tatsächlich etwas zu meinem Long Covid Zustand sagen konnten (Hausarzt, Long Covid Ambulanz -> wobei ich das Hauptaugenmerk auf die Long Covid Ambulanz legte) die Ärzte, die auf dem Weg meiner Genesung Gutachten hatten, erwähnte ich ebenso, aber stellte mich nicht nochmal vor (Kardiologe, Neurologe - hier lagen alle Unterlagen und Tests vor) - vor allem der Verlauf der Wiedereingliederung und die Einschätzung über meine zukünftige Arbeitsfähigkeit war für mich wichtig und das konnten die ersteren Ärzte darstellen.
Kleiner Hinweis: was ich hier einfach mal so herunterschreibe, hat mich WOCHEN gekostet. Es waren so viele Formulare und Angaben und es braucht so viel Konzentration. Ich muss hier echt sagen, dass der direkte Vor-Ort-Termin in der Rentenversicherung mir wirklich geholfen hat, durch diese Papierlandschaft zu steigen, aber danach war es einfach ein Batzen an Sachen, die man bearbeiten musste.
Ich habe aber auch alles allein beantragt, da ich da noch nicht den Podcast von Tidal Faces kannte und eben leider noch nicht die Option des VdK Hamburgs. Würde ich heute es nochmal machen müssen, würde ich mich vom VdK unterstützen lassen.
Kleine Anekdote am Rande: Wie war der Termin bei der Deutschen Rentenversicherung?
Leider bin ich kein Comedian, aber ich muss schon sagen, dass die ganze Situation etwas zum Schmunzeln hatte. Erst einmal war ich mit Anfang 30 keine Kandidatin gewesen, der man gleich ansieht, dass sie erwerbsgemindert wäre. Der Rentenberater war dementsprechend (gefühlt) voreingenommen und ist mit mir neutral durch die Punkte der Antragstellung gegangen. Wichtig war die Bestätigung meiner Identität (erspart nochmal extra Postweg) und dann konnten wir die Blätter Schritt für Schritt abarbeiten, sehr vieles schon ausfüllen, doch einige Extra-Formulare habe ich mit nach Hause bekommen. Ich habe versucht, alles mitzuschreiben und sozusagen eine "To Do" Liste für Zuhause zu haben, was ich noch bearbeiten und nachreichen muss.
Oft war er (für mein Loco Brain) zu schnell und ich musste ihn drei mal bitten, sich zu wiederholen -ich kam mir wie ein Depp vor, dass ich nicht so schnell folgen konnte, aber der Brain Fog tat einfach sein übliches. Und das hat ihn auch genervt. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich unkonzentriert wirkte, dabei versuchte ich all meine Energie da rein zu stecken, um ihm zu folgen zu können.
Beim Durchgehen meines bisherigen Versicherungsverlaufs (den ich mitgebracht habe aus einem der letzten Rentenschreiben, die man ja regelmäßig erhält), war ich schon total am Limit. Er fragt drei mal nach einem Zeitraum, den ich auf meinem Blatt einfach nicht finden konnte, er ihn jedoch in seinem Computer hatte. Ich sah einfach den Eintrag nicht, bis er mir das Blatt aus der Hand nahm und einmal umdrehte und sagte "Sehen Sie nicht?? Das steht auf der Rückseite! Was ist nur los mit Ihnen?" fragte er dann laut, da kamen mir die Tränen (wie konnte ich nur so dumm sein, und dieses Blatt nicht einmal umdrehen) und ich brachte unter Heulen raus "Ich hab Long Covid!" Und dann musste ich mich kurz fangen und der Berater war ziemlich bleich und entschuldigte sich drei mal. Ich erklärte ihm, dass das nun mal dazu gehörte: Konzentrationsprobleme, Anstrengung neuen Inhalten zu folgen und mitzuschreiben und Informationen einfach zu verarbeiten. Ich beruhigte mich dann, das Verständnis meines Gegenübers war nun eher da. Er hat sich mehrmals entschuldigt und ist langsamer mit mir die letzten Steps durch, hat mich meinen To Do Zettel wiederholen lassen und dann konnte ich mit roten Augen aus seinem Zimmer.
Draußen vor der Tür atmete ich erleichtert auf. Der Termin lag endlich hinter mir und es war wie ein Meilenstein, den ich geschafft habe.
Das Eingestehen, dass die Beantragung nun notwendig war, das Eingestehen, dass ich nicht schnell wieder fit werde, ggf. nie so wie früher - war ein schrecklicher Schritt für mich, die Tränen waren sicher auch daher und der Berater war keinesfalls ein unnachgiebiger Typ, ich war nur auch einfach sehr am Wasser gebaut. Aber danach wurde das Gefühl besser - wie ein Loslassen und es auf sich zukommen lassen.
Der Termin bei ihm war jedoch erst der Anfang. Die To Dos bestimmten die Folge-Wochen.
Bekam ich die Rente zugesprochen?
Es dauerte noch mal über ein halbes Jahr, aber ich bekam die Teil-Erwerbsminderungsrente für einen befristeten (!) Zeitraum zugesprochen. Dafür musste ich noch einige Formulare nachreichen, habe aber die Telefonnummer meiner Bearbeiterin gehabt und konnte auch immer mal auf die Schnelle (oder per Fax) Sachen klären und einreichen. Ich glaube, dass die aktuellen Gutachten einfach den ausschlaggebenden Punkt gaben.
Achtung: Mein Krankengeld wurde nachträglich mit der Rente verrechnet (die Rentenversicherung zahlte also der Krankenkasse einen Teil eines Krankengeldes zurück) - Und das bedeutete für mich in der Steuererklärung, dass ich darauf achten musste, dass ich diese erst abgab, als alle Nachträge der Rentenversicherung und Krankenkasse standen - da gab es nochmal aus steuerlicher Sicht extra Papierkram. Ich hab leicht den Überblick darüber verloren aber das Gefühl, ich hätte nun mehr Steuern nachzahlen müssen, weil das Krankengeld dann nachträglich wie eine Rente gehandelt wurde.
Und dann noch eine Sache: Die geminderte Erwerbsunfähigkeitsrente ist befristet. Nächstes Jahr geht es von vorne los ;-) Noch kann ich einen Smiley dahinter setzen. Denn die Anstrengung war erfolgreich. Zumindest vorerst.
Meine Learnings
- Erwerbsminderungsrente ist eine von mehreren Möglichkeiten, sich finanziell "abzusichern" (bewusst in Klammern, denn es ist nicht vergleichbar mit Krankengeld und "absichern" sicher die falsche Wortwahl).
- Ich bin super froh, mir Beratung gesucht zu haben, was für mich ganz individuell der richtige Weg ist und wann welche Gelder erschöpft sind: Wie lange noch das Krankengeld gezahlt wird, ob Anrecht auf Arbeitslosengeld 1 besteht, welche Voraussetzung für Erwerbsminderungsrente überhaupt vorherrschen, wie hoch sie eigentlich wäre und ob man Teilzeit oder gar nicht mehr arbeiten kann und dementsprechend ob die Erwerbsminderungsrente komplett den eigenen Unterhalt abdecken müsste (was ein Witz wäre) oder eben "nur" einen kleinen Ausgleich zwischen dem eigentlich Vollzeit-Job und der dann reduzierten Tätigkeit bildet. Hier gibt es einfach so viele individuellen Besonderheiten, dass eine Beratung absolut gut wäre. Demnach: was für mich mein Weg war, ist definitiv nicht der Weg von anderen. Und ich weiß von anderen, dass es für sie eigentlich der Worst Case ist, die Rente zu bekommen und sie lieber die anderen Möglichkeiten noch voll ausschöpfen.
- Ich bin dankbar, dass ich meinen Arbeitgeber mit Wiedereingliederung und Gesprächen halten konnte. Eine neue Arbeit - allein die Einarbeitungszeit wäre mir ein Graus gewesen.
- Ich wünschte, ich hätte im Nachhinein schon den VdK ins Boot geholt ABER es ging auch ohne. Ich glaube nur, es hätte mir Zeit und Nerven und viel Energie gespart.
- Meine Ärztinnen mit den aktuellen Gutachten waren sicher der ausschlaggebende Punkt für die Zusage. Glaube ich zumindest ;-)
- Ich ärgere mich leicht, dass ich meine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung nie so richtig ernst genommen habe und die Konditionen gecheckt habe. Hätte ich mal ein Jahr vor Corona diese aktualisieren lassen, hätte ich diese aktivieren können. Aber leider hätte hätte Fahrradkette ;-)
So das war es von meinen Erfahrungen dazu. Ich freu mich auf eure. Und jetzt hab ich es sicher schon zu oft geschrieben, aber wer komplett neu ist: hört in den tollen Podcast rein ;-)
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